Von Torben Seebrandt
18. Januar 2023

Holistische Attribution: Wie Sie mehr aus Ihrem Werbebudget herausholen

Holistische Attribution: Wie Sie mehr aus Ihrem Werbebudget herausholen

Zu hohe Ausgaben, zu wenig Werbewirkung. Eine zunehmende Komplexität der Kanäle und gleichzeitig verschwimmen die Grenzen zwischen offline und online: Marketingverantwortliche stehen vor immer größeren Herausforderungen, denn die Faktoren, die die Wirksamkeit von Werbemaßnahmen beeinflussen, werden nicht nur vielfältiger und komplexer, sondern greifen auch immer stärker ineinander. Um das vorhandene, oft hart ausgehandelte Werbebudget mit möglichst hoher Effizienz einzusetzen, werden smarte und erprobte Verfahren wie die holistische Attribution benötigt.

Mit einem holistischen Attributionsmodell profitieren Verantwortliche im Marketing gleichzeitig von der wertvollen, im Unternehmen vorhandenen Expertise und den stetig wachsenden Möglichkeiten des maschinellen Lernens.

Was ist ein holistisches Attributionsmodell?

Ein Attributionsmodell ist ein Verfahren, das die Wirkung von Einflussfaktoren auf eine Zielkennzahl quantifiziert. Holistische Attribution hilft die Wirkung von Media im Zusammenspiel mit anderen Einflussfaktoren zu verstehen und darauf basierend den Einsatz des Werbebudgets zu optimieren.  Holistisch ist hier im Sinne von ganzheitlich gemeint. Es werden also möglichst alle relevanten Einflussfaktoren in die Modellerstellung einbezogen. Das daraus resultierende Modell kann aussagekräftige Prognosen für verschiedenste Szenarien erstellen und bietet somit die Möglichkeit, das jeweils beste Szenario für die Umsetzung auszuwählen.

Definition Attributionsmodell
Ein Attributionsmodell ist ein Verfahren, das die Wirkung von Einflussfaktoren auf eine Zielkennzahl quantifiziert.

Etwas abstrakter formuliert: Ein holistisches Attributionsmodell quantifiziert Wirkungszusammenhänge ganzheitlich und ermöglicht wertvolle Aussagen über die zukünftige Entwicklung der Zielkennzahl. Diese Erkenntnisse helfen dabei, Werbebudgets besonders sinnvoll und effizient einzusetzen.

Warum holistische Attribution?

Während bekannte Attributionsmodelle wie zum Beispiel Last Click oder First Click den Wert oder einen Teilwert einer Conversion einem bestimmten Touchpoint zuschreiben, quantifiziert ein holistisches Attributionsmodell die Wirkung aller relevanten Einflussfaktoren. Dadurch wird vermieden, dass die Wirkung der medialen Unterstützung eines bestimmten Touchpoints überinterpretiert wird.

Mithilfe aussagekräftiger Wirkungsprognosen für unterschiedliche Szenarien lassen sich fundierte Entscheidungen für das wirkungsvollste Szenario treffen. Zusätzlich wird ein kontinuierliches Monitoring von Prognose und tatsächlicher Entwicklung ermöglicht. Marketer können also schnell auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren und so mehr aus ihrem Werbebudget herausholen.

Es ergeben sich auch weitere Optimierungsmöglichkeiten über Media hinaus, da jeder im Modell berücksichtigte Einflussfaktor, der vom Unternehmen selbst beeinflusst werden kann, zugunsten der Unternehmensziele optimiert werden kann.

Wie wird ein holistisches Attributionsmodell aufgesetzt?

Um ein holistisches Attributionsmodell zu entwickeln, sollten sich Marketer zunächst ein wertvolles, aber schwer zu erreichendes Ziel setzen, zum Beispiel die maximale Werbewirkung aus einem festgelegten Budget herauszuholen. Aus diesem übergeordneten Ziel wird dann ein einfacher zu erreichendes Etappenziel abgeleitet, beispielsweise die Werbewirkung mit einem festgelegten Budget um 15 Prozent zu erhöhen. Dieses erste Etappenziel kann dann mit dem Durchlaufen der folgenden sieben Schritte erreicht werden:

1. Zielkennzahl zur Messung der Werbewirkung festlegen

Zu Beginn bietet es sich an, eine einfache KPI zu wählen, die bereits über mehrere Jahre hinweg erfasst wird und wichtig für den Unternehmenserfolg ist.

Beispiel: 

Ein Multi-Channel-Händler betreibt einen Webshop, eine App und mehrere stationäre Geschäfte in ganz Deutschland. Mögliche Ziel-KPIs für den Anfang könnten hier sein

  • Anzahl der Webshop-Aufrufe
  • Anzahl der App-Öffnungen
  • Anzahl der Besucher der stationären Geschäfte
  • oder auch: Die Summe aus den drei Kennzahlen

2. Erfassung von Faktoren, die Einfluss auf die Entwicklung der Zielkennzahl haben

Wurde im ersten Schritt eine einfache Ziel-KPI gewählt, sollte es nicht schwer sein, die Faktoren zu ermitteln, die diese KPIs maßgeblich beeinflussen. Diese lassen sich meist durch die eigene oder in Verbindung mit der vorhandenen Expertise der Mitarbeiter ermitteln. Wichtig dabei: Es reicht aus, wenn hier erst mal nur ein paar Einflussfaktoren definiert werden. Es ist auch okay, wenn sich später herausstellt, dass ein Einflussfaktor doch keine Wirkung auf die Zielkennzahl hat. Es soll hier lediglich eine erste Basis an Faktoren generiert werden, um den Prozess der Datenbeschaffung zu strukturieren.

Beispiel: 

Der oben genannte Multi-Channel-Händler nutzt als Zielkennzahl die Anzahl der Besucher der stationären Geschäfte in Hamburg. Mögliche Einflussfaktoren dieser Zielkennzahl können sein:
  • Kalenderinformationen (Datum, Wochentag, Monat, Jahr)
  • Besondere Tage (Feiertage, Schulferien oder Quarantänetage etc.)
  • Soziodemographie der Region (Einwohner, Alter, Einkommen, Kaufkraft etc.)
  • Wetter (Sonnenstunden, Regenstunden, Temperatur etc.)
  • Werbe- und Marketingmaßnahmen (Marken- oder Performance-Kampagnen)
  • Vertriebsmaßnahmen (Rabatte, Aktionen)
  • Sortiment (Preis, Sortimentsmix, Sortimentsbreite etc.)

3. Beschaffung historischer Daten für die Zielkennzahl und deren Treiber

Die Beschaffung der Daten sollte sich an der Struktur der Daten für die Zielkennzahl orientieren. Wenn die Daten für die Zielkennzahl wöchentlich vorliegen, werden die Einflussfaktoren auch nur wöchentlich benötigt. Dabei gilt grundsätzlich: Je mehr Messungen der Zielkennzahl vorliegen, desto besser können aussagekräftige Modelle trainiert werden. Es ist also deutlich besser, wenn die Zielkennzahl in Form von täglichen Werten vorliegt statt in wöchentlichen, weil allein dadurch die Anzahl der Messungen um den Faktor sieben höher ist.

Beispiel: 

Dem Multi-Channel-Händler liegen die Daten der täglichen Besucher der letzten drei Jahre vor. Kalenderinformationen wie Wochen-, Feier- und Ferientage und Wetterdaten sind frei verfügbar im Netz vorhanden. Daten zu den Werbe- und Marketingmaßnahmen können durch die jeweilige Abteilung im Unternehmen bereitgestellt werden. Damit stehen zum Trainieren 3 Jahre * 365 Tage also 1095 Messungen/Experimente pro stationärem Geschäft zur Verfügung.

4. Kombination der Daten zu einem einheitlichen Datensatz

Da die verschiedenen Daten in unterschiedlichster Form vorliegen, müssen diese vor der Modellentwicklung zunächst zu einem einheitlichen Datensatz transformiert werden. Hierbei sollte der pragmatischste Weg zum Ergebnis bevorzugt werden. Wichtig ist, dass am Ende alle Daten konsolidiert in einem Datensatz vorliegen. Dabei wird die Struktur durch die Zielkennzahl definiert. Wenn die Zielkennzahl wöchentlich vorliegt, wird eine Tabelle mit den Spalten Kalenderwoche, Zielkennzahl, Treiber 1, Treiber 2 etc. benötigt.

Beispiel: 

Dem Multi-Channel-Händler liegen die täglichen Besucherzahlen je Geschäft als Zielkennzahl vor. Dementsprechend erweitert er den Datensatz je vorliegendem Treiber um eine weitere Spalte. Da die Out-of-Home-Platzierungen immer mindestens für zehn Tage gebucht werden müssen, werden die Kosten für die zehn Tage auf die einzelnen Tage gleich verteilt (hier 1000 € pro Tag).
Holistische Attribution MMT

5. Entwicklung eines Modells zur Bestimmung des Einflusses der Treiber auf die Zielkennzahl

Sobald der konsolidierte Datensatz für die erste Iteration vorliegt, werden die Daten genutzt, um mit Machine-Learning-Verfahren erste Modelle zu trainieren. Als Ergebnis erhält man

  • die Modellgüte, also wie gut das Modell den tatsächlichen Verlauf der Zielkennzahl abbildet
  • die Wirkbeiträge der einzelnen Treiber auf die Zielkennzahl
  • Grenznutzenkurven und Ad-Stock-Effekte je Mediavariable
  • ein Modell, das sich zum Prognostizieren der Entwicklung der Zielkennzahl eignet

Je besser das Modell in der Lage ist, den tatsächlichen Verlauf der Zielkennzahl abzubilden, desto sicherer können wir sein, dass alle relevanten Einflussfaktoren berücksichtigt sind und umso aussagekräftiger sind die vorliegenden Ergebnisse. Das heißt: Umso besser eignet sich auch das vorliegende Modell, um die Entwicklung zu prognostizieren und verschiedene Szenarien zu berechnen. Es empfiehlt sich, Modellgüten von über 75 Prozent anzustreben, damit die tatsächliche Entwicklung durch das Modell ausreichend gut erklärt wird und es guten Gewissens für operative Zwecke eingesetzt werden kann. Dabei muss Folgendes berücksichtigt werden: Jeo höher die Modellgüte bereits ist, desto schwieriger wird es, die Modellgüte weiter zu steigern. Der Sprung von 75 auf 80 Prozent Genauigkeit ist deutlich leichter zu erreichen als der Sprung von 90 auf 95 Prozent. Insbesondere bei den ersten Iterationen sollte auch die vorhandene Expertise im Unternehmen genutzt werden, um die Modellergebnisse kritisch zu hinterfragen. Dadurch wird die Datenqualität hinterfragt und es entstehen wertvolle Ideen für die nächsten Iterationen. Für ein brauchbares Modell sind in den meisten Fällen mehrere Iterationen notwendig.

Beispiel: 

Durch das Modell aus der ersten Iteration kommt heraus, dass der Faktor Wetter einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Anzahl der Besucher in den stationären Geschäften hat. Insbesondere an nasskalten Regentagen und sehr heißen sonnigen Tagen sinkt die Anzahl der Besucher, während sie an trockenen Tagen mit moderaten Temperaturen stark steigt. Da es noch einige Ausreißer in der Entwicklung der Zielkennzahl gibt, die durch das Modell nicht abgebildet werden, wird entschieden, in der nächsten Iteration die Vertriebsinformationen (Rabatte, Aktionen) zu berücksichtigen.

6. Prognose der Entwicklung der Ziel-KPI unter Berücksichtigung der aktuell favorisierten Planung

Sobald ein brauchbares Modell vorliegt, können Aussagen darüber getroffen werden, wie sich die Ziel-KPI entwickeln wird, wenn zum Beispiel die aktuelle Media-Planung in die Umsetzung geht. Dafür müssen Informationen darüber vorliegen oder Annahmen getroffen werden, wie sich die Treiber im Planungszeitraum entwickeln. Die Feiertage- und Ferientage-Konstellation ist bekannt. Für das Wetter kann zum Beispiel die Annahme getroffen werden, dass es wie im Vorjahr sein wird. Die geplanten Marketing- und Vertriebsmaßnahmen sollten den entsprechenden Abteilungen vorliegen.

Beispiel: 

Der Multi-Channel-Händler stellt fest, dass er mit der aktuellen Mediaplanung die Vorgaben aus der Unternehmensplanung nicht erreichen wird. Es wird entschieden, zwei weitere Mediaplan-Szenarien zu erstellen.

7. Berechnung unterschiedlicher Szenarien unter Veränderung der Einflussfaktoren

So ein holistisches Attributionsmodell kann nun vielfältig und wertschöpfend eingesetzt werden. Es kann zum Beispiel genutzt werden, um die Medienplanung zu optimieren. Es kann aber auch gleichzeitig dazu genutzt werden, um aus den Rabattaktionen mehr Wirkung herauszuholen.

Beispiel: 

Der Multi-Channel-Händler berechnet die Entwicklung der Besucher für die zwei weiteren Szenarien. Am Ende findet er heraus, dass die Kombination aus gleichzeitiger Werbung und Rabattaktionen an Tagen mit moderater Temperatur zu einer besonders hohen Anzahl an Besuchern pro Tag führt. In Zeiträumen ohne attraktive Rabattaktionen wird die Werbung heruntergefahren. Besonders stark wird im Frühling geworben, da im Frühling viele trockene Tage mit moderaten Temperaturen zu erwarten sind.
Wie MMT Ihnen helfen kann
Wenn Sie Interesse haben ein holistisches Attributionsmodell für Ihr Unternehmen aufzusetzen und von den skizzierten Vorteilen profitieren möchten, unterstützen wir Sie gerne dabei, je nach Bedarf und vorhandener Expertise sowohl in beratender Funktion als auch als Full Service Dienstleister mit unserem Self-Service Marketing Mix Modelling Tool.

Fazit

Das holistische Attributionsmodell ist ein starkes Werkzeug, um die Werbewirkung zu steigern und Werbebudget effizienter einzusetzen. Es sollte also als Standardwerkzeug in jedem Unternehmen mit nennenswerten Werbebudgets eingesetzt werden. Es ist dabei nicht wichtig, in kurzer Zeit ein perfekt funktionierendes Modell vorliegen zu haben. Viel wichtiger ist es, dieses Werkzeug step by step im Unternehmen zu etablieren.

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